Berlin erwägt Abriss der "Goebbels-Villa" in Wandlitz (2024)

Bogensee-Areal in Barnim - Berlin erwägt Abriss der "Goebbels-Villa" in Wandlitz

Mi 17.04.24 | 08:55 Uhr | Von Dorit Knieling

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Berlin erwägt Abriss der "Goebbels-Villa" in Wandlitz (1)

picture alliance/dpa/P.Pleul

    Ein wenig verwunschen sieht es aus, das Gelände der früheren FDJ-Hochschule und ehemaligen Goebbels-Villa am Bogensee. Nun kommt aus Berlin die Idee, die historischen Gebäude abzureißen. Denn die kosten viel Geld. Von Dorit Knieling

    Auf einem riesigen Areal rund um den Bogensee nahe der Gemeinde Wandlitz (Barnim) stehen die denkmalgeschützten Gebäude im Besitz des Landes Berlin. Hier befindet sich unter anderem das Landhaus des früheren Reichspropagandaministers Joseph Goebbels. Nach dem Ende der Nazi-Diktatur nutzten die Alliierten die Gebäude als Lazarett. 1946 übergab sie die Sowjetunion an die gerade gegründete Jugendorganisation Freie Deutsche Jugend (FDJ).

    Es kamen weitere Gebäude für die Jugendhochschule "Wilhelm Pieck" dazu, um den Funktionärsnachwuchs der SED auszubilden. Architekt war Hermann Henselmann, der auch die protzige Stalin-Allee, die heutige Karl-Marx-Allee, entworfen hatte. Nach der Wiedervereinigung nutzte der "Internationale Bund für Sozialarbeit" (IB) das Areal bis 1998.

    • rbb/Dora Heinze

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      Die Villa von Joseph Goebbels und eine ehemalige FDJ-Hochschule stehen mitten in einem Wald bei Wandlitz. Das Areal gehört dem Land Berlin und verfällt. Landrat und Bürgermeister befürchten einen Abriss und haben nun ein Moratorium gefordert.

    Zwischen Abriss und Zukunft

    Doch seitdem steht das Ensemble leer, die Häuser verfallen. Die Natur holt sich den Lebensraum sanft zurück. Nun ist erneut eine Diskussion entfacht, wie mit dem historischen Gelände umgegangen werden soll: abreißen oder weiterentwickeln?

    Am kommenden Freitag wird sich der Aufsichtsrat der Berliner Immobilienmanagementgesellschaft (BIM), der Verwalterin des Geländes, damit beschäftigen. In der BIM gibt es die Überlegung, die Gebäude abzureißen und zu renaturieren. Berlin stecke pro Jahr rund 250.000 Euro in die Bewirtschaftung der leerstehenden Gebäude. Dazu seien 4 bis 5 Millionen Euro für die Instandsetzung, unter anderem defekter Dächer gekommen, so die Geschäftsführerin der BIM, Birgit Möhring. "Wir arbeiten mit dem Geld der Berliner Steuerzahler. Wenn Berlin nicht genug Geld für Feuerwehr und Polizei hat, fragt es sich, wieso soviel Geld in Bogensee investieren."

    Für eine Instandsetzung der vielen Gebäude seien rund 350 Millionen Euro nötig. Die Infrastruktur sei abgeschaltet. Es gebe weder Wasser noch Strom.

    Für den Abriss seien vergleichsweise nur rund 45 Millionen Euro nötig. Dieses Geld würde die BIM jetzt versuchen anzusparen und brauche dafür Gelder aus dem Landeshaushalt. Der Denkmalschutz stehe dem Abriss nicht im Weg, so Möhring. Wenn betriebswirtschaftlich dargelegt werden könne, dass ein Erhalt des Ensembles nicht finanzierbar ist, müsse der Abriss genehmigt werden. Werde dies verweigert, müsse das gerichtlich erstritten werden. "Ein 'Weiter so' darf es nicht geben", so das Fazit der BIM-Geschäftsführerin.

    Bundesbehörden als Zwischenmieter?

    Möhring setzt zudem auf Gespräche mit dem Bund. Sie könne sich auch eine Zwischennutzung durch Bundesbehörden vorstellen. Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) hatte kürzlich ein Engagement ihrer Behörde ins Gespräch gebracht, ohne konkret zu werden. Auf Anfrage hieß es aus dem Ministerium: "Die Immobilie hat einen hohen zeitgeschichtlichen Wert und ist bautechnisch herausfordernd. Mögliche Weiterentwicklungs- und Nutzungskonzepte müssen dem gerecht werden. Als Bund können wir uns ein Engagement vorstellen, allerdings müssen dazu noch wichtige Voraussetzungen und Fragen geklärt werden."

    • picture alliance/Torsten Goltz Photography/Shotshop

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    BIM-Aufsichtsräte mit unterschiedlichen Vorstellungen

    Einen Abriss sieht Steffen Zillich, Linken-Abgeordneter und BIM-Aufsichtsrat, kritisch. Weil der viel Geld kosten würde, plädiert er für eine Weiterentwicklung des geschichtsträchtigen Ortes. Zum Beispiel mit einem Mix aus verschiedenen Lösungen. "Dafür braucht es Zeit und Geld." Zudem müsse eine Lösung gemeinsam mit den Brandenburger Beteiligten und dem Bund gefunden werden.

    Dagegen will Sven Heinemann, SPD-Abgeordneter und Mitglied im Aufsichtsrat der BIM, kein Geld mehr in das Areal stecken. Seit über 20 Jahren passiere nichts. Deshalb solle es schrittweise zurückgebaut werden. "Berlin hat viele Bauprojekte. Dafür könnten Ausgleichsflächen reaktiviert werden." Dass der Bund sich langfristig engagiert, bezweifelt Heinemann. Der Bund könne das Areal sofort für einen Euro haben. Es brauche keine Zwischenlösung, sondern ein nachhaltiges Konzept.

    Brandenburg gegen Abriss

    Der Landkreis Barnim und die Gemeinde Wandlitz sind strikt gegen einen Abriss. Sie haben in einem offenen Brief ein Abriss-Moratorium gefordert, der von zahlreichen Vertretern von Gremien wie der Architektenkammer und der Stiftung Denkmalschutz, aber auch Politikern und Bürgern unterschrieben wurde.

    "Es kann doch nur richtig sein, dass wir uns gemeinsam auf den Weg machen, nach einer klugen Nutzung zu suchen", sagte der Landrat von Barnim, Daniel Kurth (SPD). Es gebe die Idee, ob Forschung und Wissenschaft den Standort wiederbeleben könnten. "Vielleicht gibt es andere tolle Nutzungen." Deshalb soll das Abriss-Moratorium fünf Jahre lang gelten. In der Zeit soll ein Nutzungskonzept erarbeitet werden.

    • rbb24

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    Auch der Bürgermeister von Wandlitz, Oliver Borchert (Freie Bürgergemeinschaft), in dessen Verantwortung die Planungshoheit über das Gelände liegt, argumentiert: "Wir haben im Flächennutzungsplan Bildung und Wissenschaft stehen." Die Gemeinde sei aber bereit, die Nutzung zu erweitern, zum Beispiel durch Wohnen. 4.000 Wohnungen, wie Berlin es ins Gespräch gebracht habe, sei aber zu viel. Dazu fehle die Infrastruktur wie Kita und Schule.

    Dieser Idee steht auch der Denkmalschutz nicht im Weg. Thomas Drachenberg, Chef des Landesamtes für Denkmalpflege, erklärte, Wohnen sei kein Problem. Zum Beispiel könnten die alten Seminargebäude umgebaut werden. Aber die Gemeinde Wandlitz müsse erst einmal klären, was sie dort wolle.

    Doch nicht alle Wandlitzer Gemeindevertreter teilen die Idee der Weiternutzung. Auf einer Sitzung sagte Katja Hoyer (Grüne) laut "Märkischer Oderzeitung", sie wünsche sich, dass das Gelände der Natur zurückgegeben werden sollte.

    Sendung: rbb24 Abendschau, 17.04.2024, 19:30 Uhr

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    1. 47.

      Ja es ist wieder Mal bezeichnend . Während man in gewissen Geschichtsdokus über die bösen Kommunisten lamentiert, weil sie die eine oder andere Kirche für entbehrlich hielten, geriert man sich seit dem DDR - Anschluss als Kulturbanausen erster Klasse. Nützliche Gebäude wurden in Potsdam geschleift, um eine Art Preußen-Disney zu errichten, Künstler von Rang wie Willi Sitte wurden gedemütigt und jetzt also wieder so ein Übergriff auf deutsche Geschichte, um sich nicht weiter damit beschäftigen zu müssen.

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    2. 46.

      Wieso wird daraus nicht ne Flüchtlingsunterkunft gemacht???????????????????

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    3. 45.

      Einige hier hätten auch kein Problem damit den Berghof auf dem Obersalzberg wieder aufzubauen.

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    4. 44.

      Antwort auf [Sheela ] vom 17.04.2024 um 07:33

      Sehr gut erkannt! Denn das waren die ersten Gedanken nach dem Lesen des Artikels. - Dieses geschlossenes Bau-Ensemble hat - Nazi-Geschichte- hin und her- etwas besseres verdient.
      Nicht mal die DDR hatte Berührungsängste. Die besten Lerner durften hier, zwar ideoligisch ziemlich umsalbt, aber ansonsten -- herrliche Ferientage verbringen. Außerdem gibt dazu und zu den Pionierleitern (ja, auch sehr viele Frauen) eine sehr interessante Dokumentation mit ehemaligen. Den meisten Pionierleitern war nämlich die zunehmende Einschwenkung in die vormilitärische Richtung und quasi fast Vergötterung der Pioniergruppenfahne einige Umdrehungen zu viel, wie es aus der Filmdokumentation hervorgeht.
      Dennoch, BER und Bbg rauft euch zusammen, denn es gibt garantiert viele Ideen, von denen man die besten realisieren könnte. Mit der verkehrlichen Erreichbarkeit fängst's an!

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    5. 43.

      Antwort auf [Nasowas] vom 17.04.2024 um 08:20

      "….aber das ICE und andere Baudenkmäler im Westen dürfen bleiben.."===> Ich glaube, die Deutsche Bahn (ICE) hat schon genug andere Sorgen. Ansonsten: Fallen Ihnen -außer Befindlichkeitspflege- noch andere andere Gründe ein, die für Erhalt oder Abriss des ICC bzw. der Wandlitzer Nazivilla samt FDJ-Erweiterung sprechen? Soweit ich dem Artikel entnehmen konnte, werden realistische Nutzungskonzepte händeringend gesucht.

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    6. 42.

      Es schön, dass das Land Berlin sich in Dinge einmischen will die zum Land Brandenburg gehören.
      Diese Überschrift ist so ein Quatsch.

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    7. 41.

      Antwort auf [Big Country] vom 17.04.2024 um 06:29

      Wissen Sie wieviele Gebäude die die Nazis und die DDR in Berlin errichtet haben von Behörden und Firmen genutzt werden? Allein schon das Wahrzeichen Fernsehturm: abreißen!
      Die müssten dann nach Ihrer Logik alle sofort abgerissen werden, und wohin dann mit dem was da drin war? Unrealistische Forderung!

      Und „gehaust“ haben in dem großen Komplex ausländische Studenten, das widerspricht ihrem Argument, die echten Kommunisten haben die Studenten aus aller Welt lediglich dort untergebracht. Da hat die DDR doch nur das umgesetzt was heute so hoch gehalten wird: Vielfalt.

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    8. 40.

      Antwort auf [Big Country] vom 17.04.2024 um 06:29

      Dann soll Wandlitz dort Wohnungen drin bauen, hieß es nicht erst gestern dass Wohnraum benötigt wird weil so viele aus Berlin raus wollen? Da haben bereits Menschen aus aller Welt gelebt, die Infrastruktur für Wohnräume ist also schon vorhanden.

      Was hat das klamme Berlin vor mit dem Grundstück? Teuer an Investoren verkaufen die dann doch nur neue hässliche Betonklötze hinstellen wie in den Basdorfer Gärten? Dann lieber die vorhandene Bausubstanz nutzen, es werden sich genug Leute finden lassen die das zu schätzen wissen und vielleicht sogar in genau so einem geschichtsträchtigen Gebäude leben wollen. Und für die neuen Bewohner wären sogar schon große Gemeinschaftsräume vorhanden die man nutzen kann für gemeinschaftliche Projekte oder Aktivitäten. Eigentlich ist der alte DDR-Komplex perfekt für die Entstehung einer neuen Ansiedlung.

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    9. 39.

      Antwort auf [Peter ] vom 17.04.2024 um 08:23

      Charme bei der Geschichte? Ich empfinde bei der Persönlichkeit eher Ekel und auch der Nutzung nach WWII. Aber wer Diktaturen als charmant empfindet, kann vielleicht nicht anders.

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    10. 38.

      Antwort auf [Axel binder] vom 17.04.2024 um 09:30

      Im 18.Jahrhundert war da Wald. Ihre Forderung läuft auf Renaturierung hinaus. ... wäre ja auch eine der vorgeschlagenen Lösungen.

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    11. 37.

      Ich habe diesen Ort schon mehrmals besucht. Er hat schon eine eigene Magie. Es wäre schön, wenn er erhalten werden könnte. Aber es findet sich eben leider kein Investor, der die notwendigen Investitionen aufwenden will oder kann. Wenn Wandlitz dieses Gelände entwickeln will, sollte Berlin es der Gemeinde schenken.

      Wichtig ist mir nur eines: Die Bogensee-Villa darf kein Pilgerort für Nazis werden!

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    12. 36.

      Antwort auf [Neo ] vom 17.04.2024 um 09:36

      Genau, oder abreißen bevor Reichsbürger die Immobilie zu ihrem Regierungssitz vom "Königreich Deutschland" machen.

      Antworten

    13. 35.

      Antwort auf [Sabine] vom 17.04.2024 um 07:38

      Sehen Sie das beim ICC genauso ?

      Antworten

    14. 34.

      Antwort auf [Josti] vom 17.04.2024 um 08:07

      Sie haben ebenso solche irrealen Ansichten wie zum Thema Tesla. Da merkt man man, dass man Generation Z die Generation von Ahnungslosen ist. Neunmalklug aber ungebildet zum Thema Geschichte.

      Antworten

    15. 33.

      Antwort auf [Rebecca ] vom 17.04.2024 um 09:24

      Nutzen sollten man zuerst das Hirn, bevor man meint, aus einem Wohnbau eines dessen, der im Sportpalast die Mengen zum "totalen Krieg" angeheizt hat, ein Wellnesstempel oder Ferienwohnungen oder dergleichen. machen zu wollen.

      Antworten

    16. 32.

      Antwort auf [Wer die Wahrheit sagt, braucht ein schnelles Pferd ] vom 17.04.2024 um 09:38

      Nicht genehm? Sie sollten es mal mit Bildung zu diesem Teil der Deutschen Geschichte probieren.

      Antworten

    17. 31.

      Antwort auf [Rebecca ] vom 17.04.2024 um 09:24

      Ah so. Derjenige, der Millionen Menschen in Gaskammern in den Tod hat reißen lassen, dessen Wohnanlage soll in einen Wellnesstempel oder anders "schöne" Immobilie verwandelt werden? Da hat wohl jemand und auch welche aus den Landkreisen in Geschichte mehr als gepennt. Wenn Erhalt, dann als Mahn und Gedenkstätte, aber nicht als Oase für Besseeverdienennde.

      Antworten

    18. 30.

      Antwort auf [Big Country] vom 17.04.2024 um 06:29

      Was für ein Quatsch!
      Wollen Sie jetzt alle (dringend benötigte!) Gebäude abreißen, in denen mal Leute wohnten, die Ihnen nicht genehm sind?
      Da hätten Sie aber viel zu tun, Weltweit!

      Antworten

    19. 29.

      Antwort auf [Big Country] vom 17.04.2024 um 06:29

      Auch meine Meinung. Weg damit. Ehemalige KZ-Anlagen sind Mahnmal, da brauchen wir nicht noch die Naziwohngebäude derer, die so großes Leid und Krieg verursacht haben.

      Antworten

    20. 28.

      Unliebsame Geschichte einfach abreißen… nachschauen was da im 18.
      Jh. stand und das dann ( historisch fast originalgetreu) wieder aufbauen-
      schon komisch, dass im Land der ,Vergangenheitsbewältigung‘
      geschichtsrelevante Architektur/ Evidenz bis heute verschwinden muss.

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